tulip writing

tulip writing

Sunday, September 14, 2014

Wo computerunterstütztes Lernen immernoch nur ein Traum ist


Ein Engländer, ein Franzose und ein Deutscher treffen sich in einem Lokal in Riga.
Es heisst Rozengrals und ist vollkommen in mittelalterlichem Stil ausgestattet. Man sitzt bei Kerzenlicht auf groben Holzschemeln an groben Holztischen und bekommt als Appetitanreger leckere Nüsse und grobes Brot in kleinen Jutesäckchen serviert. Man lauscht den Flöten- und Leierspielern als man sich köstliches Lamm am Spiess mit Linsen von Kellnern in langen Gewändern servieren lässt und trinkt dazu schmackhaftes lettisches Bier. Am Ende gibt es noch scharfen hausgemachten Vodka.

 
Sagt der Engländer zu dem Franzosen:
“Haben Sie heute auch an der Special Interst Group ‘Virtual Reality’ teilgenommen?” – “Ja” erwidert der Franzose, “Ich war sehr beeindruckt von den innovativen Technologien.” – “Es wird aber noch eine ganze Weile dauern bis sich computerisierte Simulation in den Universitäten durchsetzen wird.” Bedenkt der Deutsche.

Hattest Du einen Witz erwartet? Tut mir Leid Dich zu enttäuschen. Es handelt sich um Professoren der Zahnmedizin, die aus Anlass der Jahreskonferenz der ADEE (Association of Dental Education in Europe) im September diesen Jahres nach Riga gekommen waren.

Nur Mut – es tut gar nicht weh!

Zahnärzte werden immer überall gebraucht und man kann den Beruf so gut wie überall in der Welt erlernen. Aber wahrscheinlich ziehst Du es vor Gedanken an Zahnärzte zu meiden - verständlich – und hast Dir noch nie überlegt was ein Zahnarzt eigentlich lernen muss und wie. Dann sei jetzt mutig und schau dem Patienten einmal in den Mund. Keine Sorge, es ist noch kein echter Patient, es ist eine Puppe – genauer gesagt ein Puppenkopf mit Plastikzähnen, an denen geübt wird.

Du musst nun eine Kavität bohren. Deine Anweisungen und Messungen sind auf Bruchteile von Milimetern genau. Nicht nur Tiefe der Bohrung ist vorgegeben, sondern auch Winkel einer jeden Aussenwand und des Bodens, Glätte des Bodens und der Wände, Form und Konturen der Kavität, Zentralisation usw. müssen exakt stimmen. Und all das in Grössenordnungen und Dimensionen, die man mit dem blossen Auge kaum wahrzunehmen vermag. Ist Deine Bohrung um lediglich 0.5 mm versetzt, könntest Du schon den gesunden Nachbarzahn erwischt haben, bist Du auch nur 0.2 mm zu tief, könntest Du den Pulp getroffen haben und ... au weia!

Stundenlang sitzen Studenten an diesen Mannequins und versuchen präzise vorgegebene Präparationen hervorzubringen. Am Ende wird der bearbeitete Plastikzahn per Hand unter einer Lupe gemessen und beurteilt. Das klingt eher als gehöre es in die Zeit des Rozengrals. Obwohl die Anforderungen an präzise Feinmotorik und den damit verbundenen kognitiven Konstrukten hoch sind, wird in der Zahnmedizin bisher kaum mit fortschrittlichen digitalen Hilfsmitteln gelehrt. Während medizinische Fakultäten in anderen Bereichen schon häufig mit computerunterstützten Technologien ausgestattet sind,
liegt die Zahnmedizin mit rein mechanischen Geräten weit hinter dem zurück, was zu erwarten wäre.

Warum gibt es noch keine digitalen Hilfsmittel?
Es bietet sich geradzu an die Messungen und Auswertungen der Präparationen durch Computer ausführen zu lassen, denn das menschliche Auge kann nun einmal mit der Präzision eines Computers und mit der Schnelligkeit der Auswertung nicht konkurieren.

In der Tat sind Scanner für Plastikzähne schon seit einigen Jahren bekannt. An Geräten wie z.B. dem PREPassistant von KaVo und dem PrepCheck von Sirona werden die vom Studenten mühsam herangebohrten Präparate analysiert und dann in bunter Farbenpracht und erheblich vergrössert wiedergegeben. Da gibt es Farben für verschiedene Tiefen und man kann Kavität oder Kronenpräparation aus allen Winkeln in Querschnitten genauestens betrachten. Ausserdem kann man den Zahn in seiner Ausgangsform mit dem präparierten vergleichen, und dann auch noch mit dem, was daraus hätte werden sollen.

Zeit für Echtzeit Simulation !

Richtig durchgesetzt haben sich die Scanner allerdings noch lange nicht. So elegant wie diese sind, es ist doch eher ein cooles Spielzeug als eine wirkliche Bereicherung, die zu spürbar effektiverer Ausbildung führt. Das hat sich nun die Israelische Firma Image Navigation zum Ziel gesetzt. Eine wirkliche Verbesserung in der Aneignung der benötigten feinmotorischen Fertigkeiten soll mit dem DentSim Augmented Reality Simulator erreicht werden. Der Simulator verbindet die Arbeit an traditionellen Mannequins mit Cumputer basierter Auswertung in Echtzeit. Das bedeutet der Student bekommt sein Feedback während er am Zahn bohrt und nicht, wie bisher, nachdem er das Präparat beendet hat. Da er die Messungen und Analysen jederzeit abrufen kann, weiss der Student genau wann und wo er zu tief, zu weit, zu schräg ist und kann sich während des Prozesses selber Schritt für Schritt korrigieren. Das Echtzeit Feedback bezieht sich also nicht nur auf das Endresultat, sondern auf den eigentlichen Prozess. Studien haben bereits gezeigt, dass dies zu weniger Fehlern führt und schnellerem Erlernen der notwendigen motorischen und kognitiven Fertigkeiten. Das ist nur einer der Vorteile des Simulators. Mehr dazu hier.

Ein ähnliches Produkt bietet die holländische Firma Moog mit dem Simodent Dental Trainer, deren Software ebenfalls den Bohrprozess selber begleitet und auswertet. Mit seiner Touch-Screen und simplifiziertem Design ist das Gerät recht attraktiv. Allerdings wird hier nicht wirklich gebohrt, sondern an einem hydraulischen Mechanismus so getan als ob. Ergonomisch gesehen ist das problematisch, da der Student nicht wie an einem Patient positioniert ist. Ausserdem schaut er in eine Art Monitor, hat aber kein echtes visuelles Bild von dem, was er eigentlich macht. Der Übergang in die eigentliche Klinikarbeit wird dadurch nicht erleichtert.

Ein Zahnmedizin Student sollte sich nicht wie im Rozengrals fühlen, wo Nostalgie gross geschrieben wird. In der Zahnmedizin wird es Zeit die traditionellen Übungsmethoden als Nostalgie abzuschreiben und die Ausbildung der Echtzeit anzupassen.

Studenten am DentSim Simulator

 

Monday, September 8, 2014

Wer macht denn schon Geachäfte in Jerusalem?


 
Geschäfte machen ist wohl nicht das Erste, was Ihnen im Zusammenhang mit Jerusalem in den Kopf kommt. Im Gegenteil, wenn Sie nicht gerade ein Reiseunternehmer sind oder einen Souveniershop betreiben, werden diese beiden Begriffe kaum im selben Satz fallen.

Vermutlich verbinden Sie Jerusalem, wie die Meisten, mit Religionen und Geschichte. Das Bild einer antiken Wüstenstadt, einerseits mit dem Ruhm der Propheten und Könige gekrönt, andererseits von unzähligen Kriegen gepeinigt, erfüllt unsere Fantasien. Jeder kennt Jerusalem, Millionen besuchen jedes Jahr, für Viele bedeutet Jerusalem gar Erlösung.

Aber Jerusalem hat auch eine andere Art von Überraschungen, die ausgerechnet für Unternehmer und Geschäftsleute interessant sind. Das offenbarte sich deutlich in einer Konferenz mit dem Titel ”Doing Business in Jerusalem”, die im August vom JBNF – Jerusalem Business Networking Forum – im Internationalen Kongress Zentrum gehalten wurde.

Sind das Geschäftsleute?

Die Konferenz war Teil einer umfangreichen Veranstaltung für Neuankömmlinge in Israel. Die Umgebung sah also eher wie eine Art Marktplatz aus, auf dem ganze Familien zwischen vielfältigen Ständen umher schlenderten. ‘Ganze Familien’ bedeutet in Jerusalem durchschnittlich vier Kinder, davon mindestens eins im Kinderwagen und oft auch Grossmama und Grosspapa im Schlepptau. Die meist gesprochenen Sprachen waren English und Französisch, ein wenig Russisch und bei den Hebräisch sprechenden Teilnehmern konnte man die Herkunft auf Anhieb am Akzent erraten.

Ich lebe seit 30 Jahren in diesem Land und ehrlich gesagt fühlte ich mich etwas fehl am Platz bis ich zum Konferenzsaal der JBNF durchgedrungen war.

3000 Jahre Innovation

Was mich als erstes beeindruckte war die Liste der Redner und Diskussionsteilnehmer, die auf dem Plan stand und vor allem deren Vielseitigkeit. Die geplanten 7 Stunden waren mit motivierten Jungunternehmern, neugierigen Kapitalanlegern, High-Tech Veteranen, Start-up Gurus, staatlichen Vertretern, sowie Vertretern nicht-staatlicher Organisatinen, Finanz- und Versicherungs-fachleuten und aufmerksamen Zuhörern aus allen Branchen gefüllt.

Und alles Jerusalemer – manche frisch angekommen, einige lang eingesessen und andere einheimisch, aber mit dem selben Drang den Unternehmensgeist in Jerusalem anzukurbeln.



So erfuhr ich, dass sich 10% aller Israelischen Start-up Aktivitäten in Jerusalem  abspielen und mehr als 250 Firmen in Jerusalem ‘geboren’ wurden. Unter ihnen bekannte Namen, wie Mobileye, Teva, BrightSource Energy, Ophir Optronics, und ViewBix. Unter den Firmen, deren R&D Zentren sich in der heiligen Stadt befinden, sind u.a. Intel, IBM, Siemens, RadWare, Ness und NDS (Cisco) zu finden. Als Jerusalemer haut einen das nicht vom Stuhl. Was einen allerdings schon in Erstaunen versetzt ist das Ausmass in dem neue Business Aktivitäten von staatlichen Behörden unterstützt und von privaten Unternehmern vorangetrieben werden. Die Stadt bietet verblüffend viele Möglichkeiten für junge Innovateure ihre Ideen umzusetzen und für Investoren ihr Kapital klug und bedeutsam anzulegen.

Finanzierung ist ein wichtiger Faktor. Die Stadtverwaltung hat eine Abteilung angelegt, die für die Förderung von jungen Geschäften verantwortlich ist indem sie Ermässigungen und Vergünstigungen erteilt. Der Grossteil der Finanzierung kommt allerdings aus privaten Investment Fonds und Venture Groups, deren eindeutiges Ziel es ist Jerusalems nächste Start-up Renner zu entdecken und gross zu ziehen. Einer der Pioniere hier ist JVP – Jerusalem Venture Partners, gegründet in 1993 von dem heutigen Knesset Mitglied Erel Margelit. Er erkannte das verborgene Potential in einer Stadt, deren Image unter übertrieben religiösem Übergewicht leidet. Daher gründete er einen Fond, der nicht nur Business, sondern auch moderne Kultur fördert, die der Stadt eine frische Lebensqualität verleihen. In den Räumlichkeiten des JVP befinden sich ausser einer Reihe von Start-up Büros also auch ein populäres Musik-Café, in dem bekannte Musiker, Komiker und andere Künstler zur Attraktivität der Stadt beitragen.

Inkubatoren für Start-Ups und Spielplätze für Entwickler

Ein ähnliches Unternehmen ist Terra. Diese Gruppe spezialisiert sich auf start-up Ideen aus dem ‘Cleantech’ Bereich. Die Ideen werden mit ihren Schöpfern direkt vom Reissbrett geholt, sorgfältig von Experten ausgewählt und im ‘Technologie Inkubator’ von Terra betreut und gepflegt bis sie quasi allein auf den Beinen stehen können. Das Terralab bietet den Jungunternehmern, wie bei JVP Räumlichkeiten, Arbeitsmittel und Anleitung um ihre Ideen in Technologien und Produkte umzuwandeln.
Hier einige der revolutionären Projekte, die gegenwärtig dort am wachsen sind: Verringerung der Luftverschmutzung in Grosstädten durch die Entwicklung eines Apps, das Ihnen als Autofahrer die Parkplatzsuche abnimmt, Ihnen kostbare Zeit spart und der Umwelt erhebliche Belastung abnimmt. Eine weitere Firma entwickelt ein Armband für Ihre älter werdenden Eltern, das Ihnen Daten über deren körperlichen Zustand und tägliche Routine übermittelt, egal wie weit entfernt Sie leben; und wenn nötig auch an relevante nahegelegene Krankenversorger.


Faszinierend für mich sind die verschiedenen Hubs, die beginnenden Unternehmern Raum und Möglichkeit bieten zusammen zu kommen und zu “spielen”. Manche dieser Hubs sind lediglich für Gemeinschaftsarbeit angelegte Büroräume, die Platz und Ausstattung zu Verfügung stellen. Ingenieure oder Software-Entwickler können hier ihre ersten Schritte in der Geschäftswelt mit ihrer eingenen Start-up Firma machen und sich mit Gleichgesinnten austauschen und beraten oder auch zusammen tun. Viele, wie SifTech, Presentense und Jerusalem StartupHub bieten ausserdem Schulungen, organisieren Meetings für Interessengruppen, wie Computer-Freaks oder andere Workshops. Pico lädt darüberhinaus auch Jerusalemer Künstler ein ihre Arbeiten auszustellen. Und wem das noch nicht reicht, der sucht sich eine Werkstatt, wie JerusaLab in der er den ersten Prototyp seines neu erdachten Produkts herstellen kann oder einfach versuchen kann seine Ideen mit Hilfe von 3-D Druckern in Materie zu verwandeln.

Man hat das Gefühl diese Hubs tauchen plötzlich überall auf und machen sich in den veralteten industriellen Gebieten der Stadt zwischen Autowerkstätten und Humus-Buden breit. Diese jungen Leute redeten mit einem solchen Enthusiasmus, dass ich Lust hatte mir sofort diese “Spielplätze” für Ideenhaber selber anzuschauen. Vieleicht würde auch ich sogar dazu inspiriert meine eingenen Ideen zu entwickeln und verwirklichen zu wollen. Ganz sicher würde ich dort aber fantastische Leute mit erstaunlichen Ideen und bewundernswertem Engagement und Intellekt treffen.

An die Spitze gelangen

Einen weitere nenneswerte Organisation ist MadeinJLEM, deren Ziel es ist Jerusalem an die Spitze zu bringen, wenn es um Unternehmergeist geht. Alles, was Sie über Unternehmertum, Start-ups, Geschäftsentwicklung und -förderung, Anlagemöglichkeiten, Firmen, Hubs usw. in Jerusalem wissen wollen, können Sie dort in Erfahrung bringen. Und wer daran Teil haben will findet dort einen vielversprechenden Ausgangspunkt.



Einer der Höhepunkte der JBNF conference war die Verleihung einer besonderen Unternehmer-Auszeichnung an die fünf top Start-ups von Jerusalem in 2014. Diese wurde von dem Vize-Bürgermeister Ofer Berkovitch übergeben. Jeder der fünf Firmen ist in einer anderen Branche tätig und jede hat ihr eigenes faszinierendes Konzept.

Brainsway Ltd. – Fortschrittliche, nicht-invasive Technologie Lösung für die Behandlung von Hirnerkrankungen

Revelator Ltd. – Bietet Management und Lösungen für die Monetarisierung digitaler Inhalte in der Musikindustrie.

Freightos – Entwicklung des weltweit ersten online Fracht Netzwerks.

Glide – Der weltweit erste und einzige Instant Video Messenger.

Abe’s Market – Online Markt für Bioprodukte; verbindet den umweltbewussten Käufer mit den Leuten, die die Produkte machen.

Es gibt also schon eine Menge Leute, die in Jerusalem Geschäfte machen und es werden immer mehr. Das nächste mal, wenn Sie etwas über Jerusalem hören, könnte es durchaus mit High-Tech, technologischen Durchbruch oder Profit bringende Geschäfte zu tun haben.